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Frühjahrs-Skitouren, eine Wissenschaft für sich?

„April, der macht was er will“

Das Frühjahr bringt schneetechnisch oft ein buntes all-in-one Programm. Im Sinne vom festen Niederschlag ist manchmal ein noch netter Dump dabei. Nochmals arktische Temperaturen nach einem Kaltlufteinbruch sind keine Ausnahme oder drauffolgend sommerliche Bedingungen arten in schweißtreibenden Skitouren mit nie genügend Sonnencreme im Gesicht und gegrillten Ohrwaschln… An manchen Tagen ändert sich die Schneekonsistenz sowie die Lawinengefahr von Stunde zu Stunde!

Die Gemeinde der Wintersportbegeisterten reduziert sich im Frühling auf den hochmotivierten Kern, der jährlich auf das Beste der Wintersaison wartet – nämlich auf die Firnzeit. Viele Touren waren früher echte Frühjahrs-Klassiker, doch mit einem immer größeren Boom im Skitourengehen wird so manche (Firn-)Skitour auch schon zu tiefwinterlichen Verhältnissen „neu-interpretiert“, bei einer viel zu fragwürdigen Hangneigung… Den Verhältnissen optimal angepasst sollte man im Frühling besonders den Sonnenstand und die Temperatur beachten (früh starten), sowie auch früh vom Gipfel abfahren! (Zu tief durchgepflügte Hänge sind in der Community leider zu immer öfter auftretendem Phänomen geworden, anscheinend ist das Verständnis von einer „zeitigen Abfahrt“ ein äußerst dehnbarer Begriff geworden.)

„Sicher“ und „gefährlich“ liegen im Frühling eng beieinander, vor allem bei einem Tagesgang der Lawinengefahr. Kritisch wirkt sich ein rascher Anstieg der Lufttemperatur aus, bedeckter Himmel, intensive Strahlung und hohe Luftfeuchtigkeit. Die Schneedecke wird zunehmend nass und die Gefahr von Nassschneelawinen wird größer. Optimal ist man bei einer Frühjahrsskitour zu Mittag schon im Tal retour. Zu beachten ist auch die Zeitumstellung Ende März. Bei Zustiegen zu Hütten muss man v.a. in den Nachmittagsstunden Obacht geben. (aus dem SicherAmBerg Booklet Skitouren, 2020, von Mössmer, Larcher, Würtl )

Aktuelle Bedingungen

So gestaltet sich das Tourenplanen im Frühjahr eher als ein kleiner Meteorologie-Fortbildungskurs nach den Schlagworten pastcast, nowcast, forecast. Das wühlen auf den Tourenportalen nach einer perfekt passenden Tour mit dem perfekt ausgerichteten Hang wird zur Orientierungsprüfung. Bei der Vielzahl an öffentlich zugänglichen Daten muss man nur wissen, wo man nach was suchen muss. Ist man dem ganzen noch nicht gewachsen, überlässt man am besten die Planung den Profis und genießt in allem Frieden einen feinen Ausflug mit einem/r Bergführer:in. Die aktuellen Bedingungen ändern sich rasch, gut informieren kann man sich  – neben der obligatorischen Lawinenprognose – auch auf den LWD Blogs oder z.B. in „aktuellen Bedingungen“ auf alpenvereinaktiv.com. Missachtet man wichtige Punkte, wird man statt mit daumentief butterweichen Firn mit tiefstem Haxenbrecher-Sulzschnee, knusprigem Bruchharsch oder gar einer vollkommen aperen Frühlingswiese belohnt. Einen guten Überblick, über den „verbleibenden Schnee“ geben uns z.B. die integrierten Webcams von windy.com . Eine Verfolgung des Wettergeschehens in den Vortagen, sowie eine gute Wetterprognose sind unumgänglich ( LAWIS Wetterstationen, Bergwetter des Alpenvereins, INCA / SNOWGRID Analyse geosphere.at).

[ https://www.foto-webcam.eu/webcam/st-anton ]

Turbulentes Wetter, mehrschichtige Bewölkung, nur leichte Minusgrade und hohe rel. Luftfeuchtigkeit signalisieren einem wieder unter die Bettdecke zu kriechen, statt auf eine Firntour zu hoffen. [ https://www.foto-webcam.eu/webcam/st-anton ]

Ob die erwartete Wetterprognose (über Nacht) eingetroffen ist, kann man auch mittels der hochauflösenden Webcams überprüfen (fotowebcam.eu). Die Bewölkung über den Bergen hindert die Ausstrahlung und das Durchfrieren der Schneedecke. Mit einem oftmals zu warmem Witterungsverlauf ist die Schneedecke schon frühmorgens aufgeweicht. Die Schneedecke ist aufgrund der stärkeren Strahlungseinflüsse und der Temperaturen im Frühling schon in Schmelzformen umgewandelt und oft bis zum Boden isotherm (sprich Schneetemperatur 0°C; kann man gut in aktuellen Schneeprofilen in LAWIS beobachten).

Dagegen, ein wolkenloser Morgen bei klirrenden Temperaturen am Cevedale [ https://www.foto-webcam.eu/webcam/langenferner/ ]

Dagegen, ein wolkenloser Morgen bei klirrenden Temperaturen am Cevedale. Oft kann man auch den Windeinfluss in den Hochlagen gut auf den Webcam-Bildern beobachten. [ https://www.foto-webcam.eu/webcam/langenferner/ ]

Wetterdaten

Verschiedene Parameter des Wetterverlaufs werden auf den Grafiken der Wetterstationen gut dargestellt. Um auf eine Firnbildung zu spionieren, sollten die 3 Linien der Lufttemperatur, Schneeoberflächentemperatur und des Taupunkts nie nah zusammen liegen. Das deutet auf eine milde, wolkenreiche Witterung und verhindert die Bildung von einer tragenden Schneeoberfläche. Sinkt wiederum der Taupunkt deutlich und somit auch die rel. Luftfeuchtigkeit und bleibt die Temperatur über Nacht unter 0°C, kann die Schneedecke gefrieren und wieder am Tag ein wenig auftauen. Diesen richtigen Zeitpunkt abzuschätzen, wann man einen Hang zu einer sinnvollen Uhrzeit im aufgeweichten Firn abfährt, ist nicht immer einfach. Er hängt von mehreren Faktoren ab (Besonnungsdauer, Exposition, Steilheit, Windverhältnisse, Trübung des Himmel durch etwaige Cirrus-Wolken z.B. oder Saharastaub).

Ausrüstung

Spätestens im Frühjahr gehören die Harscheisen mit auf Tour. Deren frühzeitiges Anlegen, sowie eine passende Aufstiegstechnik sind bei einer harten Schneeoberfläche in den Morgenstunden oft erforderlich (behutsam gehen und keine Steighilfe verwenden, damit die Zacken in den Schnee greifen können). Die Absturzgefahr während des Aufstieges oder bei exponierten Abfahrtspassagen ist genauso zu beachten wie die Wahrscheinlichkeit, durch einen zwar kleinen, aber nassen Schneerutsch mitgerissen zu werden. Sich Gedanken nach der ATES Skala zum Geländeverlauf einer Skitour oder einer Freeride-Abfahrt zu machen ist nie verkehrt. Pickel und Steigeisen werden in noch steileren Abschnitten erforderlich oder bei Gratbegehungen. Die immer wärmere Situation in den Tälern verleitet oft dazu, die Skitourenbekleidung immer dünner zu wählen und zu vergessen, dass es in der Höhe v.a. bei windigen Verhältnissen rasch noch sehr winterliche Bedingungen haben kann, deshalb gehören nachwievor eine warme Jacke und dicke Handschuhe in den Rucksack als Reserve! Es empfiehlt sich auch beim harten Schnee v.a. bei Querungen auf Handschuhe nicht zu verzichten. Bei schönem sonnigen T-Shirt-Wetter jedoch einer gefrorenen Schneeoberfläche, die einem Schmirgelpapier ähnelt, hat man sich schnell bei einem Ausrutscher eine „Firnallergie“ geholt (großflächige Abschürfung vom Ellenbogen bis zu den Fingerspitzen aufgrund der gescheiterten Bremsversuche im Steilgelände). Nicht zu unterschätzen ist natürlich die UV-Strahlung (Sonnencreme, Sonnenbrille), auch bei bewölkten Verhältnissen oder speziell nach Neuschnee. Die Zunahme des UV mit der Höhe beträgt etwa 8 bis 10 % per 1000 m.

Mehr zu weiteren Geländefaktoren auf der Jagd nach einer guten Frühlingsabfahrt lest ihr demnächst…

Timea Marekova